
Buchprofile - Rezension
Nikolaus II. - das Scheitern eines unfähigen und überforderten Herrschers.
Der Historiker und Schriftsteller György Dalos versucht mit diesem Buch, ein Lebensbild Nikolaus II. (1894-1917) zu entwerfen, das gleichzeitig ein schlüssiges Bild dieser bedeutungsvollen Epoche vermitteln soll. Dabei pendeln die Ausführungen zwischen romanhafter Bearbeitung und wissenschaftlich fundierter Vorgehensweise hin und her. So fehlt z.B. eine Zeit- bzw. Stammtafel der Romanows, einige Quellen werden im Anhang zwar angegeben, vieles im Text - vor allem in den eingefügten Dialogen - bleibt aber unbelegt, auch fehlen konkrete Angaben zu den meisten Abbildungen (nur pauschale Bildnachweise im Anhang). Zudem sind Ungenauigkeiten zu finden, u.a. Verwechslung der beiden älteren Töchter sowie falsche Angaben bezüglich der Herrscherfolge. Flüssig, unterhaltsam und spannend schildert Dalos jedoch das private und öffentliche Leben der Zarenfamilie, insbesondere ihre sehr intensive Beziehung zur dubiosen Person Rasputins, und die schicksalshaften Verbindungen und Verstrickungen in die engere und weitere Verwandtschaft, sodass dadurch durchaus ein lebendiges Spiegelbild der russischen, ja der europäischen gesellschaftlichen wie politischen Situation entsteht. Besonders deutlich wird dies in der Darlegung der politischen Ambitionen und der sich daraus entwickelnden kriegerischen Verwicklungen der europäischen Großmächte, für die - so der Autor - Nikolaus II. durch seine Unsicherheit und Uneinsichtigkeit (Armut und Rechtlosigkeit der Bevölkerung, Kriegsmüdigkeit, kommunistische Ideologie) großteils mitverantwortlich ist. - Das Buch liefert zwar keine neuen Fakten, aber unterhaltsame Information.
Inge Hagen
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Artikelbeschreibung
In der Nacht vom 17. auf den 18. Juli 1918 wurde Zar Nikolaus II. mit seiner Frau und der gesamten Familie von einem Kommando der Tscheka in Jekaterinenburg ermordet. Der Alptraum aller Monarchien, der sich in Aufständen, Verschwörungen und Attentaten schon angedeutet hatte, war Wirklichkeit geworden. In dieser historisch fundierten, lebendigen Darstellung wird deutlich, wie das beständige politische Versagen der Romanow-Dynastie den revolutionären Prozess befeuert hat, den der letzte Zar nicht mehr aufhalten konnte.
György Dalos - einer der international profiliertesten Publizisten auf dem Feld osteuropäischer Geschichte - entwirft ein scharf konturiertes Bild der Zaren im 19. Jahrhundert, ohne die Ursachen für die Nöte der Arbeiter und Bauern zu vernachlässigen. Als Nikolaus II. 1894 den Thron besteigt, erweist er sich als unfähig, der vielfältigen Probleme in seinem riesigen Reich Herr zu werden. Katastrophen, Krieg und persönliches Leid, die der Autor eindrücklich schildert,
verunsichern den schwachen Herrscher zutiefst, an dessen Hof schließlich der Wanderprediger Rasputin immer größeren Einfluss gewinnt. Als Nikolaus zu Reformen ansetzt, ist es zu spät. Der erfolglos geführte Erste Weltkrieg drängt den Zaren immer weiter in die Defensive, bis er und das Haus Romanow im reißenden Strom der bolschewistischen Revolution untergehen.
Personeninformation
György Dalos ist freier Autor und Historiker. 1995 wurde er mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis ausgezeichnet. 2010 erhielt er den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung.
Pressestimmen
"Eindrucksvoll (...) eine handliche und gut lesbare Einführung in ein so tragisches wie komplexes Kapitel osteuropäischer Geschichte."
Bettina Baltschev, MDR Kultur, 12. Oktober 2017 "Grandioses Buch über den letzten russischen Zaren." Michael Hesse, Kölner Stadt-Anzeiger, 6. Oktober 2017 "Es ist eines jener Bücher, die man gerne liest, weil sie eine wund erzählte, mythologisierte Geschichte frisch und unaufdringlich neu erzählen." Tim Neshitov, Süddeutsche Zeitung, 04. Oktober 2017 "Dalos ist auf dem letzten Stand der Forschung und referiert seine Erkenntnisse in wohltuend sachlicher Form. Zarismus-Apokalypse für Einsteiger."
Günter Kaindlstorfer, Deutschlandfunk, 18. September 2017
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