Verborgene Lebenswelten
Ein ewiges Gelübde, glaube ich, werde ich nicht ablegen“, sagt Michael Josef Grabmeier. „Dafür hänge ich zu sehr an meinem jetzigen Leben.“ Dennoch verbringt der 28-Jährige, der in der Pfarrei St. Andreas in der Münchner Isarvorstadt aufgewachsen ist, seit Oktober ungewöhnlich viel Zeit in Klöstern. Denn der Fotodesign-Student an der Hochschule München hat vier Ordensgemeinschaften in und um seine Heimatstadt als Motive für eine Langzeit-Reportage gewählt: die Benediktinerinnen-Abtei Venio im Stadtteil Nymphenburg, die Benediktiner-Abtei in Plankstetten (Bistum Eichstätt), das Kapuziner-Kloster in Altötting (Diözese Passau) und das Crescentiakloster der Franziskanerinnen in Kaufbeuren (Bistum Augsburg). Grabmeiers Ziel dabei ist, verborgene Lebenswelten sichtbar zu machen – ähnlich wie bei einem bereits abgeschlossenen Foto-Projekt über Münchner Obdachlosenheime, das er gemeinsam mit seinem Mitstudenten Fabian Gruber umgesetzt hat. Dazu versucht er, intime Einblicke zu bekommen, die ein normaler Besucher nicht erhält. Mit der Zeit fassten die Menschen Vertrauen zu ihm, erzählt Grabmeier: „Je öfter ich hingehe, umso persönlicher wird’s.“
Wie viel die Klöster von sich preisgeben, unterscheidet sich allerdings
erheblich. Während der Klausurbereich der Mönche in Plankstetten tabu
ist – „da kann ich auch zehnmal kommen, da werde ich nicht reingucken
dürfen“ –, wurde Grabmeier in der ebenfalls benediktinischen Abtei Venio
gestattet, den Raum zu fotografieren, in dem die Schwestern vor den
Gebetszeiten ihre Chormäntel anziehen. Auch das Privatzimmer einer der
Benediktinerinnen durfte er dort aufnehmen.
Er möchte den Klosteralltag auf besondere Weise darstellen, so dass
dieser auch für Außenstehende interessant wird. Dazu arbeitet Grabmeier
nur mit natürlichem Licht. Neben Situationen, die sich spontan ergeben –
etwa Brüder beim Geschirrspülen in der Küche des Altöttinger
Kapuzinerklosters – macht er bewusst geplante Porträts einzelner
Ordensangehöriger und durchstreift die Gebäude auf der Suche nach
geeigneten Motiven.
Wie die einzelnen Ordensfrauen und -männer
dem Fotodesign-Studenten gegenübertreten, hängt ganz von deren
Persönlichkeit ab. Die Bandbreite reicht von freundlich und offen über
neugierig bis hin zu scheu und abwehrend. „Die Reaktionen sind so unterschiedlich wie die Menschen, die im Kloster leben“, berichtet Grabmeier.
Während
der Foto-Aufnahmen begegneten sich ohnehin stets zwei Menschen auf
Augenhöhe. Dabei spiele es keine Rolle, dass der eine Student sei und
der andere Mönch oder Obdachloser, ist Grabmeier überzeugt. Die
Fotografie verbinde sie. Mit seinen Fotos möchte er ein Verständnis
dafür schaffen, dass andere Menschen „ganz anders leben“. Auch seine
eigenen Vorurteile gegenüber Schwestern und Mönchen seien mit jedem
Klosterbesuch weniger geworden, gibt er unumwunden zu. Schließlich habe
er festgestellt, dass Ordenschristen ganz normale Menschen seien, die
auch mal einen Tatort schauten: „Damit rechnet man irgendwie nicht.“
Und
noch eine Gemeinsamkeit zwischen sich und den Ordensleuten hat der
spirituell interessierte Student festgestellt: „Fotografie ist auch eine
Form der Meditation, weil man die Aufmerksamkeit auf die Wahrnehmung
legt.“ Einen Klosteraufenthalt auf Zeit könnte er sich deshalb durchaus
vorstellen. Vielleicht auch mal ohne Kamera.
(Karin Hammermaier, Redakteurin der Münchner Kirchenzeitung)
Fotodesign-Student Michael Josef Grabmeier hält den Alltag der Benediktiner in Plankstetten, der Benediktinerinnen der Münchner Abtei Venio, der Kapuziner in Altötting und der Franziskanerinnen im Kaufbeurer Crescentiakloster in eindrucksvollen Aufnahmen fest. Mehr zu Grabmeier und seinen Projekten finden Sie auf seiner Internetseite: www.mjg.earth