Melanie Wolfers - Die Kunst der klugen Wahl (2/5)
Das Leben ist von mehr Ungewissheit und Chaos durchzogen, als einem oft lieb ist. Dies erschwert auch das Treffen von Entscheidungen. Eine gelingende Wahl baut darauf auf, dass wir unseren Stärken und Schwächen, unserer Biografie und Persönlichkeit Rechnung tragen. Denn diese bilden das Fundament, auf dem eine Entscheidung aufruht.
Das bedeutet: In allem, was Ihnen leicht von der Hand geht, woran Sie Freude haben, was Ihren Begabungen entspricht und was Sie sich im Lauf Ihres Lebens angeeignet haben – in all dem liegt ein Wink für eine gute Wahl. Wenn Sie die Potenziale berücksichtigen, die Sie in sich tragen, weckt dies Lebendigkeit und Freude. Eng damit verbunden: Sie geben das, was nur Sie zu geben vermögen. Sie verändern und bereichern Ihr konkretes Umfeld. Und das tut gut. Sie tun gut!
In einem bekannten Text der Pfarrerin Marianne Williamson heißt es:
„Du
bist ein Kind Gottes. Dich klein zu machen nützt der Welt nicht. Es
zeugt nicht von Erleuchtung, sich zurückzunehmen, nur damit sich andere
Menschen um dich herum nicht verunsichert fühlen. Wir alle sind
aufgefordert, wie die Kinder zu strahlen. Wir wurden geboren, um die
Herrlichkeit Gottes, die in uns liegt, auf die Welt zu bringen. Sie ist
nicht in einigen von uns, sie ist in jeder und jedem. Und indem wir
unser eigenes Licht scheinen lassen, geben wir anderen Menschen
unbewusst die Erlaubnis, das Gleiche zu tun.“
Marianne
Williamson deutet die Größe und Schönheit jedes Menschen religiös: Alle
verdanken sich einem göttlichen Ursprung. Allen wohnt ein göttliches
Licht inne. Es ist jeder und jedem anvertraut, das eigene Licht leuchten
zu lassen und – auch dadurch – andere zu ermutigen, ihr Licht zum
Strahlen zu bringen. Wo das geschieht, verwirklicht sich die neue Welt
Gottes, für die Jesus eingetreten ist.
Zu Recht wird dem
Christentum vorgeworfen, dass es Menschen im Namen einer falschen
Demutsforderung klein gemacht hat, insbesondere Frauen. Wenn sie aus der
Masse heraustraten, wurde ihnen Stolz vorgeworfen – und auf diese Weise
die göttliche Dimension in ihnen verneint. Als ob Gott umso erhabener
würde, je armseliger der Mensch über die Erde kriecht … Doch dies steht
ganz und gar im Widerspruch zur Bibel und zu allen großen spirituellen
Traditionen!
In meiner Seelsorgearbeit gehört es für mich zu
den schmerzhaftesten Momenten, wenn ich erfahre, dass Menschen im Namen
des Glaubens oder der christlichen Moral zurechtgestutzt worden sind
oder kleingehalten werden. Und es zählt zum Schönsten, wenn ich dazu
beitragen kann, dass Menschen Entscheidungen treffen und leben aus
ganzem Herzen, mit ganzem Verstand und mit ganzer Kraft. (vgl. Markus
12,30ff.