"Elternsein" in der Bibel
Eltern werden ist nicht schwer, Eltern sein dagegen sehr“ – abgesehen davon, dass das so nicht stimmt, wenn man auf die vielen ungewollt kinderlosen Paare blickt: Die Bibel erzählt ganz andere Geschichten. Interessant ist dabei, wie viele scheinbar „moderne“ Themen überall mit anklingen: Schwierigkeiten mit der Empfängnis/der Zeugung, Leihmutterschaft, Pubertät, Lieblingskinder, Gleichberechtigung in der Partnerschaft, Patchworkfamilien …
Es beginnt bei Adam und Eva: Schmerzen bei der Geburt sind Strafe
Gottes für die Frau, weil sie den Sündenfall herbeigeführt hat, Adam
muss mühsam Ackerbau betreiben. Sie werden die ersten Eltern von Kain,
Abel und Set und weiteren, nicht namentlich genannten Kindern. Kain
erschlug Abel – Mord und Totschlag waren in der Welt.
Abram
und Sarai sind schon sehr alt. Kinder haben sich nicht eingestellt, auch
nicht, als ihre Namen in Abraham und Sara geändert werden zum Zeichen
dafür, dass sie Stammvater und Stammmutter eines großen Volkes werden
sollen. Sara drängt deshalb Abraham, ihre Sklavin Hagar zur Frau zu
nehmen, eine gängige Praxis, um Nachkommen zu sichern. Schon während
der Leihschwangerschaft kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen den
Frauen, Hagar läuft davon. Sie kehrt zwar noch einmal zurück, wird aber
später zusammen mit ihrem Sohn Ismael verstoßen, weil Sara und Abraham
doch einen gemeinsamen Sohn namens Isaak bekommen, den Sara als
Alleinerben möchte. Beide Frauen wollen das Beste für ihr Kind, der
Vater, der dazwischensteht, kann sich erst nicht entscheiden. Erst als
Gott ihm im Traum verspricht, dass beide Söhne ein großes Volk werden,
schickt Abraham Hagar und Ismael weg. Umso unverständlicher für unser
Empfinden heute, dass Abraham sich bedingungslos dem Willen Gottes
unterwirft und die Opferung Isaaks vollziehen will – er stellt seine
Treue zu Gott über das Leben seines Sohnes, der aber gerettet wird.
Isaak
heiratet später Rebekka. Sie bekommen Zwillinge, Esau und Jakob.
Während die Mutter eine Vorliebe für den sanfteren, ruhigeren Jakob hat,
ist Esau Isaaks Liebling: Ein wilder, starker Mann, der jagt und
Verantwortung übernehmen will. Jakob überlistet Esau, den älteren und
erbberechtigten Bruder, mit Hilfe seiner Mutter: Erst raubt er ihm mit
einem Linsengericht das Erstgeburtsrecht, dann den Segen des Vaters. Der
Konflikt zwischen den Brüdern wird nach weiteren Wendungen beigelegt.
Jakob wird zum Erzvater der Israeliten.
Die Geschichte wird
sich in gewisser Weise wiederholen. Jakob, der eigentlich Rahel heiraten
will, wird vom zukünftigen Schwiegervater getäuscht und heiratet erst
einmal Lea, mit der er sechs Söhne bekommt. Rahel kann zunächst keine
Kinder bekommen, deshalb nimmt Jakob deren Magd Bilha zur Frau, mit der
er weitere zwei Söhne bekommt. Auch Lea gibt Jakob eine Magd zur Frau,
aus dieser Beziehung entstammen wiederum zwei Söhne. Rahel wird
schließlich doch noch schwanger und bringt erst Josef, dann Benjamin zur
Welt, bei dessen Geburt sie stirbt. Jakob bevorzugt seinen Sohn Josef
und verwöhnt ihn nach Strich und Faden – dass seine Brüder ihn nicht
leiden können, auch weil er ein Angeber ist, ist logische Konsequenz.
Pikanterweise wird gerade der weitere Verlauf der Geschichte von „Josef,
dem Träumer“ dazu führen, dass das Volk Israel nach Ägypten zieht, wo
sie Generationen später versklavt werden.
Moses führt das
Volk aus der Gefangenschaft – von seinem Vater erfahren wir nichts, er
kommt am Beginn der Exoduserzählung nur als „vom Stamm Levi“ vor. Auch
seine Mutter bleibt namenlos. Sie ist es, die auf die Idee des
Binsenkörbchens kommt und ihn damit rettet (an späterer Stelle, wohl
durch eine priesterschriftliche Redaktion, werden die Namen Amram und
Jochebed „nachgereicht“).
Das Thema der ungewollten
Kinderlosigkeit und der damit verbundenen, vielleicht auch nur
empfundenen Demütigung begegnet auch bei Elkana und Hanna im ersten Buch
Samuel. Elkana und seine erste Frau Hanna bekommen keine Kinder, erst
Peninna, die zweite Frau, kann die ersehnten Nachkommen schenken.
Hanna betet und verspricht, ihren erstgeborenen Sohn Gott zu
überlassen. Das Wunder geschieht, Samuel wird geboren und wächst im
Tempel auf.
Im Neuen Testament ist Elisabeth lange kinderlos
und schon alt, als sie doch noch schwanger wird. Ihrem Mann Zacharias
verschlägt es daraufhin die Sprache. Johannes kommt auf die Welt; er
wird Cousin von Jesus, dessen ungewöhnliche Zeugung und Geburt Maria und
Josef zu Eltern machen. Über ihr Elternsein wird berichtet, dass sie
mit dem zwölfjährigen Jesus durchaus Schwierigkeiten haben: Er geht im
Tempel verloren, zeigt wenig Verständnis für ihre Sorge und reagiert
doch etwas flapsig – typisch Teenager. „Du sollst Vater und Mutter
ehren“ wird von ihm zumindest oberflächlich betrachtet frei
interpretiert.
Auffällig finde ich, dass die Väter in diesen
Elternkonstellationen häufig passiv sind, nicht namentlich vorkommen
oder auch nichts sagen oder nichts zu sagen haben. Meistens erscheinen
die Mütter als die Handelnden, die das Leben schützen und bewahren. Die
Rolle der Väter geht dabei unter. Eine zweite Feststellung: Eltern haben
hier Gott erlebt als Lebensbegleiterin, als Beschützer, als
Unterstützende. Die Elterngeschichten der Bibel, so ungewöhnlich sie für
uns klingen, sind „Lebens“-Geschichten mit Gott.
(Theresia Reischl, Pastoralreferentin in der Stadtkirche Freising)