Gästebrief 2023: Zeit für mich
Endlich Ferien! Am letzten Arbeitstag vor dem Urlaub oder wenn die Schulferien vor der Tür stehen, macht sich bei den meisten Kindern wie Erwachsenen ein Gefühl großer Erleichterung breit. Ersehnte Überraschungen nehmen den Platz von sich wiederholenden Verpflichtungen ein. Zeit, wieder neu den Reichtum des Lebens zu entdecken: Schön und voller Farben, wie es ist!
Ignatius von Loyola, der charismatische Gründer des Jesuitenordens, hat für diese - auch spirituelle Erfahrung - das passende Wort gefunden: "Nicht das Vielwissen sättigt und befriedigt die Seele, sondern das Verspüren und Verkosten der Dinge von innen her."
Lassen Sie Ihren Alltag und all das, was tagtäglich auf Sie einstürmt, für eine Zeit hinter sich. Erleben Sie die Welt neu: den Geschmack einer Frucht, den Nachklang eines Sonnenuntergangs, wie sehr Singen befreit oder ein Gebet berührt. Freuen Sie sich am Entdecken dieser Welt und der guten Schöpfung Gottes - von innen her.
(Reinhard Kardinal Marx, Erzbischof von München und Freising)
Weitere Informationen erhalten Sie unter www.erzbistm-muenchen.de
Hier eine Auswahl an lohnenden Zielen:

Baden mit Bergblick
Höglwörth und sein Klostersee
20 Minuten dauert es, den Höglwörther See zu Fuß zu umrunden, etwas länger, wenn man hineinspringt. Aber egal, ob am Ufer oder im Wasser: Bilderbuchaussichten sind immer geboten. Der Blick fällt auf Alpengipfel und immer wieder auf das historische Kloster am Wasser. Es war so klein und arm, dass es zu Beginn des 19. Jahrhunderts nicht einmal säkularisiert, also zwangsaufgehoben wurde. Die Mönche lösten es ein paar Jahre später selbst auf. Sie hinterließen eine Rokokokirche, die Künstler aus dem nahe gelegenen Salzburg geprägt haben. Außerdem Wirtschaftsgebäude, die eine Brauerei aus der Gegend ankaufte. Bis heute ist dort ein Gasthaus zu finden. Zudem haben die Mönche ein sogenanntes Heiliges Grab mit Kulissen hinterlassen. Sogar ein Springbrunnen gehört dazu und eine komplizierte Mechanik treibt ein goldenes Rad an, vor dem Engel schweben. Nur alle drei Jahre bauen es freiwillige Helfer in mühevoller Arbeit für den Karfreitag und den Karsamstag auf. 2023 war es wieder so weit. Aber Höglwörth ist immer eine Reise wert. Besonders zu Fuß. Von der Bahnstation Teisendorf führt ein rund dreieinhalbstündiger Rundweg zum ehemaligen Kloster und zurück, natürlich auch um den idyllischen See herum.

Wallfahrt, Wunder und eine Kiste Krippenfiguren
Tuntenhausen und seine Basilika
Eine Schädeloperation war vor rund 500 Jahren ein verwegenes Abenteuer. Andreas von Etting hat sie wegen eines Hirntumors trotzdem vornehmen lassen – und überlebt. Eine dreiteilige Votivtafel von 1586 erinnert in der Wallfahrtsbasilika Tuntenhausen daran und zeigt den Eingriff. Der Stifter war überzeugt, dass er ihn ohne wunderbare Hilfe von oben nicht überlebt hätte. Die Tafel ist eine von vielen historischen Votivgaben, die in der Kirche zu sehen sind. Seit ihrer Restaurierung vor einigen Jahren hat sie die ursprüngliche weiße Fassung und die helle Lichtstimmung ihres barocken Stucks zurückbekommen. Auch das bayerische Kurfürstenpaar Ferdinand Maria und Henriette Adelaide hat es hierher gezogen. Das Herrscherpaar war lange kinderlos und betete an den verschiedensten Wallfahrtsorten um Nachwuchs. Der ersehnte Thronerbe kam 1662 zur Welt. Der erleichterte Vater Ferdinand Maria stiftete dem Wallfahrtsort zwar keine Votivtafel, aber dafür eine später immer wieder erweiterte Prachtkrippe. Rund 250 Figuren sind erhalten. Fast hundert Jahre lagen sie vergessen auf einem Speicher, bis ein Pfarrer sie in den 1980er Jahren wiederentdeckt hat. Heute sind sie sorgfältig restauriert im Pfarrheim zu sehen. Mit aufwendigen Hintergrundkulissen erzählen sie wie in einer stummen Oper die biblische Heilsgeschichte. Nach Anmeldung im Pfarramt Tuntenhausen ist die Krippe das ganze Jahr über zu bewundern.

Sound der Mozartzeit
Alte Pfeifen in Rottenbuch klingen wie früher
Die Rottenbucher waren schon immer nachhaltig. Jedenfalls, was ihre Orgel betrifft. Sie haben die alten Bestandteile aus dem 18. Jahrhundert nicht weggeworfen, sondern wieder verwendet oder aufgehoben. Sogar die Schilder für die Register, also die unterschiedlichen Klangfarben des historischen Instruments, sind erhalten geblieben und in einem Sakristeischrank wiedergefunden worden. Zwei Drittel der alten Blech- und Holzpfeifen waren noch erhalten und ein entscheidendes mechanisches Teil tauchte in einem Museumsdepot auf. So konnten die Orgelbauer den Originalklang des Instruments wiederherstellen. Es hat nun einen Klang wie aus der Mozartzeit und harmoniert mit der Innenausstattung der spätbarocken Kirche im Pfaffenwinkel, ein Gesamtkunstwerk für Auge und Ohr. Zu hören ist die Orgel nicht allein bei den Gottesdiensten, sondern auch beim Rottenbucher Festsommer. Bis Anfang Oktober spielen an verschiedenen Wochenenden Spitzenorganisten in Rottenbuch.

Großes spirituelles KinoGroßes spirituelles Kino
Die Glasfenster der Pasinger Kirche St. Hildegard
Wer elf Kilometer von der Stadtmitte Münchens mit dem Fahrrad bewältigt oder zehn Minuten vom S-Bahnhof Westkreuz zu Fuß geht, den erwartet Kirchenkunst im Cinemascope-Format mit satten, rauschhaften Farben. Das von außen unscheinbare und wenig bekannte Gotteshaus in Pasing bietet mit seinen atemberaubenden Glasfenstern großes spirituelles Kino. Sie erheben sich über einem Mauerwerk aus grauem Bruchstein. Es ist in etwa drei Metern Höhe durchgehend von den Fenstern eingefasst. Die kräftigen Grüntöne verweisen auf die heilige Hildegard von Bingen und ihre Beziehung zu P.anzen und zur Schöpfung. Der Gründungspfarrer hatte sich dieses Patronat gewünscht, als noch kaum jemand an Ökologie und die theologische Bedeutung von Frauen dachte. Fortschrittlich war auch der Auftrag an Georg Meistermann (1911–1990), die Fenster zu gestalten. Der Maler war seinerzeit einer der großen Stars der modernen Kunstszene und 1955 auf der allerersten documenta in Kassel vertreten. Die Fenster in St. Hildegard gelten als eines seiner Hauptwerke.

Sensation zwischen Hopfenstangen
Enghausen beherbergt ein einzigartiges Kruzifix
Seit dem 8. Jahrhundert bauen die Menschen in der Hallertau Hopfen an, ohne den es kein Bier gibt. Die Hopfengärten mit ihren hohen Stangen und Drähten, an denen sich die P.anze emporrankt, prägen die Landschaft, durch die mehrere Radtouren führen. Eine davon ist der Nandlstädter Kulturradweg. Er führt an einladenden Wirtshäusern und Marktgemeinden und an Enghausen vorbei. Das kleine Dorf beherbergt eine erst seit zwanzig Jahre bekannte Sensation. Ein lebensgroßes Kruzi.x, das nur wenig später entstanden ist als der Hopfenanbau in der Hallertau. Es ist das älteste seiner Art weltweit. Der Künstler hat es etwa um das Jahr 890 erschaffen, das haben Untersuchungen zuverlässig ergeben. Christus ist als würdevoller und als gütiger Herrscher dargestellt. Mit einer Frisur, die an Rastalocken erinnert und seinerzeit an Adels- und Königshöfen der letzte Schrei war. Bis vor etwa 500 Jahren hing dieses Kreuz in einer Klosterkirche im nahe gelegenen Moosburg. Doch die Mönche bestellten damals eine neue Ausstattung. Das altehrwürdige Kruzifix hatte keinen Platz mehr. Die Enghausener nahmen es auf, erhalten und verehren es seit vielen Generationen. Es gehört so sehr zum Dorf, dass Pläne, es in ein Museum zu bringen, verworfen wurden. Natürlich ist es mit einer Alarmanlage geschützt und Besucher müssen sich die kleine Kirche aufsperren lassen. Die nebenan wohnende Mesnerfamilie tut das gern und läutet fast jeden Mittag um 12 Uhr zum Angelusgebet.